Mein historisches Interesse an der jüngeren deutsch-französischen Vergangenheit
Im Frühjahr 1983, seit wenigen Monaten besaß ich mein erstes Auto, lud mich ein Freund ein, ihn nach Verdun zu begleiten. Schon während meiner Schulzeit interessierte ich mich für Militärgeschichte, doch bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich nur vage Vorstellungen von den Geschehnissen in einem der blutigsten Frontabschnitte des Ersten Weltkriegs.
Das verlängerte Wochenende, das ich in Verdun verbrachte, sollte einen prägenden Eindruck hinterlassen. Im Kreise kundiger Hobby-Historiker streiften wir abseits der Touristenwege und erkundeten das Gelände. Wie sich später herausstellte, war das genau der richtige Einstieg in die Materie.
Nach der Rückkehr begann ich, die in kleinen Teilen erwanderte Geschichte anhand der einschlägigen Literatur aufzuarbeiten. Damit war eine Entwicklung in Gang gesetzt, die bis heute anhält. In den folgenden Jahren wurden die Aufenthalte auf dem Schlachtfeldbereich von Verdun mit guten Freunden zu einem festen Bestandteil meiner Freizeit. Doch nicht nur Verdun galt unser Interesse, auch die kaum bekannten, westlich angrenzenden Abschnitte von Vauquois und des Argonnerwaldes zogen uns in ihren Bann. Beide sind durch ungeheure Sprengungen gezeichnet, eine Folge des Minenkriegs, der hier fast während des gesamten Krieges tobte.
Die privaten Forschungen bewegten sich aber immer auf dem schmalen Grat zwischen Legalität und Verbotenem. Durch die Zufallsbekanntschaft mit einem netten, älteren Niederländer erfuhr ich von einem deutschen Verein, dem „Deutschen Erinnerungskomitee Argonnerwald 1914 – 1918 e.V.“. Dieser hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die militärischen Hinterlassenschaften beider Seiten im Argonnerwald und bei Vauquois zu erforschen. Dies geschieht mit ausdrücklicher Genehmigung und inzwischen auch auf Veranlassung der regionalen Behörden.
Mit meinem Beitritt zu diesem Verein im Jahr 1991 bekamen meine privaten Forschungsarbeiten eine neue Richtung. Zunächst beteiligte ich mich über mehrere Jahre an der Dokumentation der vorhandenen Minenkriegsanlagen im Argonnerwald. Aber anlässlich einer Besprechung mit den Forstbehörden im Jahr 1998 erklärte ich mich bereit, die Leitung einer neu einzurichtenden Forschungsgruppe für den Schlachtfeldbereich direkt westlich der Maas zu übernehmen.
Von nun an konzentrierten sich die Aufenthalte, inzwischen 4 bis 6 verlängerte Wochenenden in jedem Jahr, auf das Westufer und hier vor allem auf die beiden bekannten Höhen 304 und Toter Mann. Aber neben der praktischen Arbeit widmete ich mich auch sehr zeitintensiv dem Quellenstudium, um die Kampfhandlungen nachvollziehen zu können und weitere Anhaltspunkte für die Forschungsarbeiten zu gewinnen. Dann war der Schritt zu meinem im Jahr 2001 erschienen ersten Buch „Die Höhe Toter Mann während der Kämpfe um Verdun“ nicht mehr weit.
Doch parallel zu den Arbeiten auf der Höhe Toter Mann, die jetzt fast abgeschlossen sind, fanden bald auch schon erste Begehungen der Höhe 304 statt. Konsequenterweise hatte ich schon begonnen, die entsprechenden Quellen aufzuarbeiten. Daraus entstand im Jahr 2002 das Buch „Die Höhe 304 während der Kämpfe um Verdun“. Damit sind die Kampfhandlungen in den westlich der Maas gelegenen Teilbereichen des Schlachtfeldes von Verdun umfassend dokumentiert.
Seit langer Zeit zog es mich aber neben dem Großraum Verdun auch zu den anderen Schauplätzen der Schlachten des Ersten Weltkrieges. Nachdem die literarische Arbeit in Verdun für mich zunächst abgeschlossen war, widmete ich mich schon ab dem Herbst 2002 den Frontabschnitten von Flandern bis zur Champagne hin.
Zunächst stellte sich diese Arbeit, denn in meinen Augen sollte daraus ein neues Buch entstehen, als fast unlösbare Aufgabe dar. Doch nachdem ich mit Hilfe guter Freunde die ersten Teile aufgearbeitet hatte, erschien die Arbeit als eine große aber zu bewältigende Herausforderung. Mehr als 10 Wochen verbrachte ich bis zum Frühjahr 2004 in Belgien und Frankreich und sammelte dabei unvergleichliche Eindrücke. Nach deutlich mehr als 2.500 Arbeitsstunden hatte ich dann im Sommer 2004 meinen „Militärgeschichtlichen Reiseführer“ endlich fertig gestellt.
Dem zweiten Teil des Reiseführers widmete ich mich dann ab 2005, als ich für einige Jahre das Glück hatte, in Strasbourg zu wohnen. Wieder einmal waren es viele Wochen und nochmals mehr als 2.000 Stunden, die ich mit Recherchen und Schreiben verbrachte. Im Jahre 2009 waren auch diese Arbeiten abgeschlossen und das Buch konnte gedruckt werden.
Noch während meines Aufenthaltes im Elsass kam ich in Kontakt mit der Familie Stoll, vor allem den beiden Töchtern von Eugen Stoll. Dieser hatte zusammen mit seinem älteren Bruder als Kriegsfreiwilliger am Ersten Weltkrieg teilgenommen. Ihm ist es vergönnt geblieben, zu überleben. Sein Bruder fiel schon im Frühjahr 1915 in Flandern. Im Familiennachlass befand sich ein wahrer Schatz. Dies war nämlich die fast komplett erhalten gebliebene Korrespondenz der Eltern der beiden Kriegsfreiwilligen. Große Teile bildeten die Grundlage für ein Buch, in dem diese Briefe und Postkarten abgedruckt sind. Dieses konnte ich mit ausdrücklicher Zustimmung der beiden Töchter Eugen Stolls im Jahr 2007 veröffentlichen.
Bis in die jüngere Vergangenheit folgten dann weitere Beiträge in Büchern des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., historischen Monatszeitschriften, amerikanischer und französischer Fachliteratur und auch der Konrad-Adenauer-Stiftung zum Ersten Weltkrieg.
Vielleicht fragen Sie sich jetzt, warum ich mich so zeitintensiv mit dieser Thematik auseinandersetze. Nun, in meinen Augen gilt es, die gemeinsame deutsch-französische Geschichte lebendig zu halten und auch heranwachsende Generationen damit zu konfrontieren.
Die derzeitige Krönung meiner ehrenamtlichen Arbeit im Großraum Verdun erlebte ich am 11.11.2019 anlässlich einer Zeremonie im Rathaus von Verdun. Dort wurden für ihr Engagement für die Völkerverständigung und Aussöhnung zwischen den Völkern sowie ihre ehrenamtliche Tätigkeit erstmals seit langem wieder Deutsche geehrt. Mit einer großen Bronze-Medaille wurden der Bürgermeister der Stadt Rheinbach, Stefan Raetz, Philipp Lerch der Konrad-Adenauer-Stiftung und meine Person ausgezeichnet. Die beeindruckende Veranstaltung hinterließ besonders bei mir einen unvergleichlichen Eindruck und ich fühle mein gut 30-jähriges ehrenamtliches Wirken in außergewöhnlicher Weise gewürdigt.
Schon seit geraumer Zeit können Franzosen und Deutsche gemeinsam diese Epoche aufarbeiten und so möglicherweise eine Wiederholung der Geschehnisse verhindern. In den Jahrzehnten, die unmittelbar dem Ersten Weltkrieg folgten, war dies offensichtlich nicht möglich. Schon knapp 22 Jahre später bekämpften sich Teile beider Völker wieder einmal bis in den Tod. Sie waren trotz der leidvollen Erfahrungen immer noch aus tiefster Überzeugung verfeindet. Eine Entwicklung, die sich nicht wiederholen darf!
Doch nicht nur die Geschichte des vergangenen Jahrhunderts führt mich regelmäßig zurück nach Frankreich. Es ist auch die Landschaft, manchmal freundlich und offen oder von großen Waldflächen durchsetzt und hügelig. Trotz mancher melancholischer Momente bleibt sie doch immer reizvoll. Dazu üben auch die französische Kultur und Lebensart eine besondere Anziehungskraft auf mich aus, der ich gerne nachgebe.